Rev. Highly honored Pastor!

In reference to your letter of 29 June of this year may I first of all remark, that your confessional position, which I first learned of through your letter, cannot be a public official one. Because you along with your congregation publically and officially stand under the “evangelical,” that is, the United upper church council of the royal Consistory in Breslau, whose confession is in no way expressed, and under a “royal” superintendent, I therefore can consider you along with your congregation only as a part of this confessional vague ensemble and so not as evangelical Lutheran, even if in private you are devoted to the Lutheran Confessions. A Prussian, who served under a French general and occasionally, despite of his Prussian attitude, had to strike at Prussians, couldn’t be considered as a public Prussian. And the state church related private Lutherans caught in the union really strike at us public Lutherans, who represent the visible, cohesive, public Lutheran church in Prussia, instead of joining with us and properly acknowledge our at least in former times, during the time of the sleep of the state church Lutherans, highly necessary battle. Or should we step over to those, who now give the appearance as if they were the Lutheran church in Prussia, and therefore that we no longer belong to the “Sect” “that is contradicted every time and everywhere”. Acts 28, 22.

For my part I am very inclined to belong to a larger Lutheran Church association, without grieving about our Synodical resolutions. But show me this separate, self-contained, public Lutheran church association in Prussia to which I can transfer, and show me a pure Lutheran head of such a church association, so that I can turn to this independent Lutheran authority for the purpose of a transfer. Until then, I must remain with my association, if I want to remain a public member of the Lutheran church of Prussia.

I cannot recognize private Lutheran clergymen and congregations, that stand without public cohesion and are controlled by a leader of strange flesh and bone, as a section of the Lutheran church. For I am hostile to all confessional ambiguity, lack of clarity, and changeableness from my whole heart. Each leaf of a tree has its specific distinct figure, and a church, that in confessional respect, has an indistinct, evil-gray, blurred figure, and must be held together by nothing more than the power of the state and church property, and which is linked with a worldly cord; should such a church be a creation of God?
Now concerning the issue of Pastor Caspar. I have certainly accepted him with sincere reluctance. Because he has told me everything honestly, what matter he had with your reverence, and I had certainly in mind, to write to you. Only the church’s war-like conditions, in which we still find ourselves, has kept me from doing it, because it seemed unnatural to me to draw advice in such conditions from a church opponent. For that I am as yet too much for the religious freedom, which, in the current state church system in Europe, still is shamefully oppressed, that I should specially restrain someone from falling away from us or to join us. Pope-like pressure is not good for affairs of the church. I have, however, earnestly reproached Pastor Casper that his somewhat precarious relationship toward his current pastor should not be the basis for his transfer. Now that he is willing, without regard to persons, to above all study the situation that now exists, I no longer resisted, but ventured to accept him. Perhaps the Holy Spirit will bring him further along in freedom than under pressure. But whether he does not permit himself to be led deeper in the truth, it will certainly be discovered in its day. If only we could all be one in truth, inwardly and outwardly, that is my fervent wish.

With the request, that this correspondence be kept confidential, I remain with love,

Yours sincerely,
Johann Kilian, P.

Dauban 29 July 1852

[GRN; Biar; CS]



Hochehrwürdiger Hochgeehrter Herr Pfarrer!

In Beziehung auf Ihr Schreiben vom 29sten Juni c. habe ich zuvörderst zu bemerken, daß Ihr confessioneller Stand, der mir erst durch Ihren Brief bekannt geworden ist, nicht ein öffentlicher officieller seyn kann. Denn da Sie mit Ihrer Gemeinde öffentlich u officiell unter dem “evangelischen”, d. h. unirten Oberkirchenrath, unter dem “Königlichen” Consistorium in Breslau, dessen Confession gar nicht ausgedruckt ist, und unter einem “Königlichen” Superintendenten stehen, so kann ich Sie mit Ihrer Gemeinde nur für einen Theil dieses confessionell unklaren Ganzen und also nicht für evangelisch-lutherisch halten, wenn sie gleich privatim dem lutherischen Bekenntniß zugethan sind. Einen Preußen, der unter einen französischen General diente und gelegentlich trotz seiner Preußischen Gesinnung auf Preußen losschlagen mußte, könnte man für keinen öffentlichen Preußen ansehen. Und die landeskirchlichen, in der Union gefangenen Privatlutheraner schlagen ja auf uns öffentliche Lutheraner, die seit 1830 die sichtbare geschlossene öffentliche lutherische Kirche in Preußen darstellen, wirklich los, statt sich mit uns zu vereinigen, und unsern wenigstens früher, zur Zeit des Schlafes der landeskirchlichen Lutheraner höchst nothwendigen Kampf gehörig anzuerkennen. Oder sollen wir zu denen übertreten, die sich jetzt das Ansehen geben, als wären sie die lutherische Kirche in Preußen damit wir nicht mehr zu der “Secte” gehören, “der an allen Enden widersprochen wird?” (Act. 28, 22.)

Ich meines Theils wäre sehr geneigt, einem größeren lutherischen Kirchen Verbande anzugehören, ohne mich um unsere Synodalbeschlüsse sonderlich zu härmen. Aber weisen Sie mir diesen gesonderten, geschlossenen, öffentlichen lutherischen Kirchenverband in Preußen nach, zu dem ich übertreten könnte, und zeigen Sie mir die rein lutherische Spitze eines solchen Kirchenverbandes an, damit ich mich an diese selbstständige lutherische Behörde des Uebertritts halber wenden kann. Bis dahin, muß ich bei meinem Verbande bleiben, wenn ich in Preußen öffentliches Glied der lutherische Kirche bleiben will.

Privatlutherische Geistliche und Gemeinden, die ohne öffentlichen Zusammenhang dastehen und ein Haupt von fremdem Fleisch und Bein auf sich sitzen haben, kann ich für eine Abtheilung der lutherischen Kirche nicht anerkennen. Denn ich bin aller confessionellen Zweideutigkeit, Unklarheit und Veränderlichkeit aus ganzen Herzen feind. Jedes Baumblatt hat seine bestimmte ausgeprägte Gestalt, und eine Kirche, die in confessioneller Hinsicht eine in unbestimmte, ins Übelgraue verschwimmende Gestalt hat, und nur durch die Staatsgewalt und das Kirchengut u durch Indifferentismus zusammengehalten, durch ein weltliches Band verbunden ist, eine solche Kirche sollte Gottes Schöpfung seyn?

Was nun noch die Aufnahme des p. Caspar anlangt, so habe ich ihn allerdings mit einigem Widerstreben aufgenommen. Denn er hat mir ehrlich Alles erzählt, was er mit Ew. Hochehrwürden, gehabt hat, und ich hatte allerdings im Sinn, Ihnen zu schreiben. Allein der kirchliche Kriegszustand, in dem wir uns noch zu einander befinden, hat mich davon abgehalten, weil es mir unnatürlich vorkommt in solchen Fällen den kirchlichen Gegner zu Rathe zu ziehen. Dazu bin ich zu sehr für die im jetzigen Staatskirchenwesen in Europa noch schmählich niedergedrückte Religionsfreiheit, als daß ich jemanden sonderlich abhalten sollte, von uns abzufallen oder zu uns zu treten. Papistischer Zwang thut einmal in Kirchensachen nicht gut. Ich habe aber dem p. Caspar ernstlich vorgehalten, daß sein etwas mißliches Verhältniß zu seinem bisherigen Pfarrer nicht der Grund des Uebertritts seyn dürfe. Da er nun bereitwillig gewesen ist, abgesehen von Personen hauptsächlich die Sache um die sich hier handelt, zu studieren, so habe ich nicht weiter widerstanden, sondern gewagt ihn aufzunehmen. Vielleicht bringt ihn der heilige Geist in der Freiheit weiter, als unter dem Zwange. Läßt er sich aber nicht in die Wahrheit tiefer hineinführen, so wird es schon zu seiner Zeit offenbar werden. Möchten wir nur Alle Eins werden in der Wahrheit, innerlich und äußerlich, das ist mein sehnlicher Wunsch.

Mit der Bitte, auch dieses Schreiben als ein confidentielles zu betrachten, bin ich mit Liebe

Ev. Hochehrwürden ergebenster Johann Kilian, P.

Dauban am 29sten Juli 1852

[GRN; Biar]